Corporate Language und KI

Gastbeitrag in der w&v
  • 5 min Lesedauer
  • Press Release

W&V – Die Ergebnisse von Textrobotern wie ChatGPT sind oft austauschbar. Wie KI trotz eigener Tonalität und Corporate Language dennoch nützlich sein kann, erklärt Karen Frohnwieser.

Was passiert, wenn man sich einfach nur auf Künstliche Intelligenz verlässt, zeigt dieses Beispiel: In einer Fortbildung bestand eine Aufgabe darin, in kleinen Gruppen ein beliebiges Produkt zu erfinden. Einzige Vorgaben: drei auf den ersten Blick völlig zusammenhangslose Schlagwörter, welche Features das neue Produkt haben muss und nur fünf Minuten Zeit.

Fünf Minuten sind doch sehr kurz, also kam der ein oder andere auf die Idee, ChatGPT zu befragen. Das Ergebnis: Von vier Personen aus der Gruppe präsentierten drei die komplett identische Idee. Personen, unterschiedlichster Nationalitäten, mit unterschiedlichsten Jobs und unterschiedlichem Alter. Die Frage ist also: Wie individuell kann ChatGPT sein? Oder anders: Wie austauschbar sind Botschaften, wenn sie von einer künstlichen Intelligenz verfasst werden?

Vorteile von KI mit einer eigenständigen Tonality verbinden

Was Zeit und Effizienz angeht, ist ein Tool wie ChatGPT unschlagbar. Ein Vorteil, der den Arbeitsalltag vieler deutlich erleichtern kann und wieder Raum schafft für neue Ideen. Aber entscheidend ist, wie wir eine künstliche Intelligenz wirklich nutzen. Wie wir sie so gut machen, dass sie einen echten Mehrwert bietet. Und das führt zu der Frage: Ist ChatGPT vielleicht die Chance, wieder mehr auf Corporate Language zu setzen?

Gerade in Zeiten, in denen sich Marken und Produkte immer mehr ähneln, in denen Konsument:innen überschwemmt werden von Angeboten und Botschaften, ist es wichtig, sich zu differenzieren. Auch Farben und Bildwelten werden immer austauschbarer, kaum eine Schrift, die man noch nicht gesehen hat. Aber im Zusammenspiel mit einer uniquen Tonalität, wird scheinbar Gleiches deutlich anders und eigenständiger.

Eine eigene Corporate Language hat das Ziel, die Werte und Haltung eines Unternehmens in jedem Text, in jeder Botschaft, in jedem Wort spürbar zu machen. Online wie offline. Es geht nicht nur darum, verständlich zu kommunizieren, sondern wirksam und einzigartig. Die Zielgruppe soll erreicht werden, Interessent:innen zu Fans werden, weil sie die Werte und die Haltung des Unternehmens in jedem Medium, auf jedem Kanal erkennen und schätzen. So wird die Sprache zur Visitenkarte eines Unternehmens. Und genau dafür benötigen wir die menschliche Intelligenz. Die entwickelt diese unverkennbare Sprache.

 

Erst den Wiedererkennungswert steigern und dann automatisieren?

Je individueller wir kommunizieren, desto größer ist der Wiedererkennungswert. Nehmen wir Ikea, dieses Unternehmen hat vor vielen Jahren das „Du“ in der Kundenansprache salonfähig gemacht, die Produktnamen sind oft lustig und personifizieren die Möbel. Alles wirkt einfach, studentisch, Formulierungen überraschend und locker.

Man kann Unternehmen also allein anhand ihrer Sprache erkennen. Das braucht eine gute Vorarbeit und Spezialist:innen. Aber weitergedacht ist das doch genau die Grundlage, die benötigt wird, um dann Tools wie ChatGPT zu nutzen. Wenn wir wissen, wie wir kommunizieren und was wir kommunizieren, können wir mit den richtigen Prompts erreichen, dass nicht alle Botschaften des künstlichen Texters austauschbar sind.

Wie lassen sich Grenzen setzen?

Die menschliche Intelligenz muss die Grundlagen schaffen, Vorlagen liefern, mit denen wir beispielsweise die künstliche Intelligenz füttern. Die menschliche Intelligenz muss beurteilen, was an Botschaften generiert wird und entscheiden, was innerhalb der Corporate Language funktioniert und was nicht. Wir können uns die Frage stellen, ob wir bei schnelllebigen Inhalten wie Social Media-Posts auf die exakte Einhaltung einer Corporate Language Vorgaben bestehen müssen. Oder ob wir an dieser Stelle die effiziente Unterstützung nutzen und unsere Energie beispielsweise in wichtigere Projekte stecken. Ein Beispiel ist hier sicherlich ein gutes Employer Branding. Denn was ist wichtiger für künftige und bestehende Mitarbeitende als eine klare Sprache, die die Werte und Haltung des Unternehmens kommuniziert.

Deshalb braucht es klar definierte Regeln, um zu entscheiden, was noch akzeptabel ist, weil es wirtschaftlich ist und wann es die menschliche Intelligenz braucht, weil die Botschaften an dieser Stelle kein Kompromiss sein dürfen.

KI als Chance, als Antreiber, als Türöffner

KI sollte nicht als Gefahr betrachtet werden. Sie bietet Chancen. Sie kann Zeit sparen, die kann in einem kreativen Loch Impulse geben, sie kann, intelligent gefüttert, vielleicht irgendwann auch Corporate schreiben. Aber die Ideen, den Hirnschmalz, die kreativen Gedanken, die strategischen Konzeptionen, die kann KI nicht ersetzen. Dafür braucht es die menschliche Intelligenz. Vielleicht ist der Hype um Tools wie ChatGPT daher genau der richtige Anstoß, um über eine eigene Sprache nachzudenken. Den Wert der Sprache und der Wertschätzung gegenüber allen, mit denen wir kommunizieren. Vielleicht macht ChatGPT gerade noch viel deutlicher, welche Unternehmen im generischen Einheitsbrei beliebiger Marken versinken, welche keine treuen Fans mehr haben.

KI gibt Unternehmen außerdem die Möglichkeit, eine Vorreiterposition einzunehmen. Nicht nur mit den eigenen Produkten, nicht nur mit der eigenständigen unverkennbaren Kommunikation, sondern auch in der intelligenten Nutzung künstlicher Intelligenz.

Gerade ChatGPT macht vielen ein wenig Angst. Je besser das Tool wird, desto ersetzbarer sind sie. Das sehe ich anders. Je mehr ChatGPT an Bedeutung gewinnt, desto wichtiger wird die sprachliche Basis.

Karen Frohnwieser
Creative Director und Teamlead Copy and Concept

Denn erst, wenn man eine ganz eigene, wiedererkennbare Sprache spricht, erst dann lässt sich von einem Tool wie ChatGPT profitieren. Und für diese Grundlage, für die Corporate Language, wird es Texter:innen, Konzeptioner:innen und Strateg:innen noch lange brauchen. Und sie haben wieder Zeit dafür. Weil sie das ein oder andere einfach abgeben können. An die künstliche Intelligenz.

Share article

Zurück zur Newsübersicht

Honors