Wie ich als Mann von Female Leadership profitiere
Kommentar zum Weltfrauentag- 5 min Lesedauer
Die Stuttgarter Markenagentur Von Helden und Gestalten wird von einer Frau geleitet. Für Wolfgang Seebaß-Jones, Strategy Director & Gesellschafter, ist das ein echter Glücksfall.
Das ist mir erst vor wenigen Tagen wieder bewusst geworden, als ich einen Vortrag meiner Agentur-Chefin Verena Mayer über Female Leadership miterlebt habe. Was mir ebenfalls klar wurde: wie wenig Männer über dieses Thema reden. Betrifft Female Leadership nicht auch mich als Mann? Natürlich. Aber wie genau eigentlich? Das war für mich der Ausschlag, mich intensiver mit meiner Erfahrung der letzten Jahre zu befassen und mich zu fragen: Was hat sich durch Female Leadership in meinem Agenturalltag mit Blick auf vorherige Arbeitsstätten verändert und verbessert? Ganz klar: Vieles, und es hat mir gutgetan.
Hier meine wichtigsten Erkenntnisse.
Female Leadership bedeutet stetige Entwicklung
Eine Frau an der Spitze heißt noch nicht automatisch Female Leadership. Female Leaders setzen sich proaktiver mit dem Thema Führung auseinander, um ihren eigenen „weiblichen“ Führungsstil zu finden und zu entwickeln. Von daher ist das Thema „Wie will ich führen und geführt werden“ stets präsent und wird aktiv angegangen. Das hilft auch mir, meine eigene Führungspersönlichkeit deutlich besser zu entwickeln.
Kein chauvinistisches Chefgehabe
Der Kundentermin ist gerade vorbei und man sitzt als Juniortexter im Auto, während dein Agenturchef am Steuer auf unterstem Niveau über die weiblichen Marketing-Mitarbeiterinnen herzieht. Klingt nach schlechtem Stereotyp, entsprach aber leider meiner Wirklichkeit. Genau wie anzügliche Bemerkungen und grenzüberschreitendes Verhalten von Führungskräften gegenüber Kolleginnen. Sicherlich hat sich die Werbebranche in den letzten 20 Jahren, nicht zuletzt durch me-too Debatten, weiterentwickelt. Wer unter einer weiblichen Spitze arbeitet, muss sich darüber keinerlei Gedanken machen.
Respektvolleres Kundenverhalten
Als Agentur, die für viele B2B-Kunden arbeitet, haben wir es nach wie vor mit meist männlich dominierten Chefetagen zu tun. Dabei macht es einen spürbaren Unterschied, ob wir mit Chefin kommen oder Termine ohne sie wahrnehmen. Wie viel Respekt ihrer individuellen Führungspersönlichkeit entgegengebracht wird und wie viel Anteil Female Leadership dabei hat, lässt sich nicht genau sagen. Aber es macht definitiv einen Unterschied.
Menschlichkeit und Toleranz stehen auf der Tagesordnung
Es ist wichtig zu wissen, wofür mein Arbeitgeber steht, wie der Ton und der Umgang miteinander ist und welche Werte gelebt werden. Menschen möchten sich nicht nur inhaltlich, sondern auch emotional mit ihrer Arbeit identifizieren. Das ist ein wichtiger Teil meiner persönlichen Motivation. Und so geht es eigentlich all meinen Kolleg:innen. Dass wir eine weibliche Geschäftsführerin haben, die die interne Unternehmenskultur als zentralen Bestandteil von Female Leadership sieht, hilft dem ganzen Team, sich mit den eigenen Werten auseinanderzusetzen und sie im Alltag präsent zu halten.
Female Leadership ist im War for Talentes ein echter Pluspunkt
Fachkräftemangel ist aktuell ein Dauerthema in Wirtschaft, Politik und vor allem in der Kommunikationsbranche. Kaum zu glauben, dass so wenig über die größte ungenützte Ressource, nämlich bestens ausgebildete Frauen, gesprochen wird. Agenturen wie unsere leben von einem starken weiblich geprägten Team. Und weil starke Frauen andere starke Frauen anziehen, profitiere ich nicht nur von einer starken Geschäftsführerin, sondern auch von zahlreichen starken Kolleginnen in unserem erweiterten Führungskreis.
Leichtere Vereinbarkeit von Vaterschaft und Führungsposition
Hin und her gerissen zu sein zwischen Elternrolle und Verantwortung im Beruf betrifft nicht nur berufstätige Frauen. Als Vater eines 1,5 Jahre alten Sohnes kenne ich das Gefühl. Und es hilft auf jeden Fall, dass ich mich als Vater nicht unnötig erklären muss. Es sollte normal sein, mit seinem Arbeitgeber offen über Familienthemen sprechen zu können. Vom Kinderzimmer in der Agentur mal ganz abgesehen.
Die Sache mit der mentalen Gesundheit
Apropos offener Umgang mit sensiblen Themen. Im Arbeitsalltag vieler Agenturen gilt „Burnout“ nach wie vor als nahezu unvermeidbares Berufsrisiko, mit dem man als Kreativer eben leben muss. Das Motto „Ist der Job zu hart, bist du zu schwach.“ geistert immer noch durch unsere Branche. Hier weiß ich aber nicht nur eine verständnisvolle Chefin über mir, sondern einfach einen guten Menschen an meiner Seite.
Dass ich lieber Wein als Bier mag, ist völlig ok
Und woran ich noch merke, dass ich in einer weiblich geführten Agentur arbeite: wenn ich einen Blick in den Agentur-Getränke-Schrank werfe. Ein paar Flaschen Kessler sind hier immer kaltgestellt und das übliche Freitags-Feierabend-Bierchen darf gerne durch einen schönen trockenen Weißwein ersetzt werden.
Fazit: Für Männer ist Female Leadership eine echte Chance
Aus meiner Agentur-Erfahrung kann ich zusammenfassend sagen: Female Leadership betrifft jeden. Genauso wie der Mangel an Female Leadership jeden betrifft. Für Männer ist Female Leadership und die damit einhergehende Veränderung von Führungskultur eine echte Chance und für mich absolut spürbar und positiv. Nicht zuletzt, weil Female Leadership auch meinen eigenen Führungsstil entwickelt und voranbringt, mich in meiner Doppelfunktion als Führungskraft und Vater sieht und ganz allgemein zu einer offeneren Arbeitskultur beiträgt, in der ich gerne arbeite.